Uff, wieder ein neues Kapitelchen geschafft. Irgendwie spiele ich auch mit dem Gedanken, diese Geschichte von Tigerfüße in Bakerloo Line o.ä. umzubenennen. Für- und Gegenstimmen?
Wieder dieselbe Anmerkung wie letzte Woche, wenn ihr nicht wisst, worum es geht, einmal kurz in die voarangegangenen Kapitel schauen!
und jetzt viel Spaß mit …
Marylebone
Es hieß, dass am 14. April 1912 etwa 1502 Menschen gestorben seien, als die RMS Titanic mit einem Eisberg kollidierte, und man gedachte ihrer, indem man sie mit zwei hübschen Gesichtern in einer tragischen Liebesgeschichte gleichsetzte. Sebastian hatte früh verstanden, warum Menschen Einzelschicksale brauchten, um sich betroffen zu fühlen – warum das die zerfurchte Stirn wichtiger war als die still leidende Masse. Dann wurde er Polizist, und alles was er tat war, von menschlicher Tragödie zu menschlicher Tragödie zu fahren, aus denen London bestand. Denn es gab keine Masse, beschloss er, als er zum ersten Mal die Leiche eines Kindes sah. Er änderte seine Meinung nicht, als man siebzehn Frauen im Abstand weniger Wochen aus der Themse zog, denen man allesamt eine Eisenstange durch die Luftröhre gestoßen hatte. Er änderte seine Meinung nicht.
Als er Jim gegenüberstand, erwog er zum ersten Mal seit langer Zeit, dass außerhalb seiner Wohnung absolut nichts Böses existierte. Nur die Menge.
Am 04. September 2010 um 11:43 Uhr erzählte Adam zum ersten Mal ohne betrunken zu sein und jemanden auf einer Party beeindrucken zu wollen, wie es sich anfühlte, zu ertrinken.
Kissen waren vom Boden aufgelesen und zurück auf das Bett gelegt worden, Bierdosen in die Küche gebracht. Finger fuhren um die Postkarte am Kühlschrank, die das Plakat eines Russ Meyer Filmes abbildete, rückten die Magneten zurecht. Ein Mundwinkel hob sich.
„Titten, Autos, Gewalt. Du machst es mir fast zu einfach.“
Die Katze strich um ein Paar Beine, ließ sich vom Boden heben und kratzte den Fremden nicht.
„Hey…lange nicht gesehen, Sebastian.“
Die Worte wurden wie die Begrüßung eines Kindheitsfreundes in das rötliche Fell gesprochen. Schwere Lider über dunklen Augen hoben sich. Jim wartete.
Am folgenden Freitag regnete es erneut. Jim hatte die Tage zuvor darauf bestanden, so wenig wie möglich in die Graphik zu kommen, sondern schickte Kollegen, um neue Hardware an Sarah Nicholls‘ Arbeitsplatz anzuschließen, einzurichten und die Software zu erklären.
Schließlich wurde der Schirm mit der Tube-Map aufgespannt und eine Zigarette angezündet. Die Eingangstür öffnete sich.
„Hey…“
„Hey… hast du Feuer für mich?“
Jim beobachtete, wie sich farblose Wimpern auf die Wangen legten, als Adam sich herunterbeugte. Kurz flackerte das Orange der Flamme auf den Sommersprossen und dem ungekämmten Haar. Man sah zum dunklen Himmel.
„Was dagegen, wenn wir kurz bei TESCO halten? Ich hatte vor, was zu kochen.“
Eine Hand legte sich auf Jims Rücken, zögerte kurz und blieb bis zur U-Bahn-Station an seiner Taille.
An dem Tag, als Janine dachte, sie sei schwanger, und sie war sich sicher, denn der Schwangerschaftstest hatte unmissverständlich die zwei rosafarbenen Linien angezeigt. Nachdem der erste Schock überwunden war – sie war eine selbstbewusste, unabhängige Frau mit einer vielversprechenden Karriere im Londoner Eventmanagement – begann sie mit der Planung. Innerhalb von zwei Stunden, in denen sie Sebastian immer wieder Tee in den blauweiß gestreiften Kaffeebecher goss, hatte sie eine Kirche gefunden, die perfekt für eine Hochzeit war, darüber hinaus jeweils zwei Babynamen. Sie war daran gewöhnt, auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Besser jetzt mit Zwillingen rechnen, als in neun Monaten einer Hebamme ängstlich in die Augen sehen zu müssen, weil man keinen Namen zur Sicherheit hatte.
Sie war erleichtert, als ihr Gynäkologe ihr mitteilte, dass sie nicht schwanger sei.
Es war fast auf die Uhrzeit genau fünfundzwanzig Jahre nachdem ein kleiner dunkelhaariger Junge seine Mutter zitternd zum Aufwachen bewegen wollte, trotz eines Instinkts, dass es nicht gelingen würde. Anschließend hatte er gekniet, Augen starrten leer auf die Fliesen und den Staub unter den Pfoten der Badewanne, der langsam von auskühlendem Wasser aufgeweicht wurde. Von einem Arm tropfte es bald nicht mehr.
„Mom…“
Finger trommelten auf das Fensterbrett, auf dem eine bunte Nachbildung aus Plastik der, wie man es ihm erklärt hatte, Flying Lamb stand. Unter dem Fenster machte sich London bereit für eine Nacht in den Clubs, es wurde bald dunkel und dass sich Menschen übergaben, konnte man schließlich nur noch hören. Regen mäanderte auf dem Glas, verbog das Licht der rhythmisch umschaltenden Ampeln und Scheinwerfer.
Ein Arm schlang sich um ihn.
„Hast du was gesagt, Jim?“
„Hmm?“
„Du hast geflüstert… “
„Nein, nur ein Gedanke…“
„Woran?“
„Nicht wichtig.“
Ein Kinn auf seiner Schulter, nicht mehr als die Spitze eines Fingers unter dem Saum seines T-Shirts, das irgendwann in der Waschmaschine zu groß geworden war.
„Aber…“
„Aber?“
Der Mann drehte sich um die eigene Achse, hielt den anderen an den Handgelenken fest. Man stolperte gegen die Wand und vergaß zu protestieren.
„Aber mir fällt was… Wichtigeres ein.“
„Was steht da? Error 404: T-Shirt not found“ – sein Zeigefinger strich über den Siebdruck, als wollte Adam jedes Wort genau erfassen – „… soll ich da nachhelfen?“
Aufgrund seiner angeborenen sektoriellen Heterochromie war etwa die Hälfte seiner rechten Iris, statt blau, wie es in seinen Pass eingetragen war, hellbraun. Man fand es faszinierend, Frauen fanden es häufig hübsch. Wenn man ihn anstarrte, war es den wenigsten Menschen länger als eine Sekunde peinlich, denn man hatte keine Behinderung oder Entstellung fixiert. Es war eine lockere, wie Sebastian fand, körperliche Andersartigkeit, die man ansprechen konnte, ohne sich über politische Korrektheit Gedanken machen zu müssen.
Er erinnerte sich daran, dass Janine ihn damals angesprochen hatte. Als man einander noch nicht beim Namen kannte, sondern nur von Blicken durch einen halbdunklen Raum, der nach deutschem Bier roch, und wo der Boden unter den Sohlen klebte. In diesem Pub hatte man schon schlechtere Anmachsprüche gehört, und meistens führten sie nicht zum Erfolg.
„Entweder ist deine Kontaktlinse kaputt, oder du hast echt richtig tolle Augen!“
„Willst du rausfinden, was davon stimmt?“
Unter den Beinen ihrer Anzughose schauten teure Stilettos hervor, die mehr kosteten als Lebensmitteleinkäufe für acht Wochen. Es war Teil ihres Berufs, auszusehen wie eine Bankangestellte, während sie schwitzende Männer mit Rollen von silbrigem Gewebeband um die Handgelenke navigierte. Seit sie ihren Koffer gepackt und Sebastians Wohnung verlassen hatte, konnte sie zu Fuß gehen von ihrem Arbeitsplatz zu ihrem vorübergehenden Schlafplatz bei ihrer Kollegin und besten Freundin – seit einer denkwürdigen Nacht, in der sie nach einem Nachtclubbesuch betrunken kein Taxi bekommen hatten und sich Arm in Arm von der Harewood Row bis auf die Stufen der St Marylebone Parish Church gestützt hatten, wo sie Reenas damaliger Freund auf dem Weg zur Arbeit auflesen musste.
Vom Rücksitz des VW hörte man ein leises Nuscheln.
Die Handtasche war im schwindenden Licht näher an den Körper gepresst worden, während sie auf ihrem Telefon die Nachrichten verfolgte. Eine Tragödie, hieß es da, man hätte es nicht abwenden können. Menschliches Versagen, hieß es an anderer Stelle. Im Gehen wurden die Haarnadeln aus ihrer Frisur gezogen und zwischen roten Lippen gehalten.
Sebastians letztes Geburtstagsgeschenk an sie hatte sie behalten, die Hülle ihres Telefons war aus poliertem Holz mit eingefrästem und pink ausgefüllten japanischen Wellenmuster, ein handgefertigtes Accessoire eines Designers in Finnland; nach einer Recherche im Web wurde der Link zum Onlineshop an ihren Freund geschickt. Es war Inventar, und kein Souvenir.
We could have had it all – (You’re gonna wish you never had met me) – Rolling in the deep – (Tears are gonna fall, rolling in the deep) – You had my heart inside of your hands – (You’re gonna wish you never had met me) – And you played it to the be-
„Hey Süße!“
Das Telefon balancierte zwischen Schulter und Ohr, während Autos und Taxis vorüberglitten.
„Hmm, ja. Ich ich bin gleich bei dir und hol meine Tasche! Das Wochenende wird gut – untersteh dich, das Wort ‚Vögeln‘ zu sag- NEIN hör auf!“ die Stimme senkte sich, „Ich kann das echt nicht ab, wenn du- Ja, ich freu mich auch. Bis gleich!“
Augen rollten.
Dann hielt ein Taxi neben ihr.
Man starrte sich an. Jims Kopf fiel langsam zur anderen Seite, Blick auf Sebastians Nasenwurzel gerichtet. Seine Hand tastete in der Hosentasche nach seinem Telefon, um Verstärkung zu rufen. Er biss sich auf die Unterlippe, als er den SMS-Ton aus der Küche hörte.
„Du suchst das?“
„Was tun Sie hier, McKinnon? Warum sind Sie hier?“
Die Stimme war leise und dominant.
„Warum tut irgendwer irgendwas?“
Sebastian war durchtrainiert, gut einen halben Fuß größer als der andere Mann, der – zugegeben, bewaffnet sein könnte – sich nicht mehr von der Stelle bewegte. Er hatte stärkere Männer überwältigt, sich einmal sogar dabei die Nase gebrochen, und er nun waren seine Muskeln angespannt wie die eines zum Sprung bereiten Raubtieres.
„Dass Sie hier sind, ein Geständnis?“
„Nicht doch. Es gibt kein belastendes Material über mich, ich war heute nicht einmal im Yard.“
„Es gibt das Verhör und die Videosequ-“
Ein vorgeschobenes Kinn und ein zufriedenes Lächeln.
„Die sind mittlerweile auch gelöscht, oder?“
Ein Bein wurde über das andere gekreuzt, sodass Jim bequemer im Türrahmen lehnte. Der Schädel lag schwerelos am Holz, eine gesummte Melodie drang zu Sebastian. Dann sprang der Polizist.
„Was singt er da eigentlich?“
„Keine Ahnung… Andy are you woken?“
„Jenny are you vocal? Janine are you okay?““
„Da ist kein J… Annie. Annie are you okay? Steht hier.“
Ein Handy fiel sanft auf einen Stapel Papier an der rechten Seite des Bettes.
„Darauf wär ich nie gekommen…“
„Preiset den Herrn für mobiles Internet!“
Rauch sickerte zur Zimmerdecke, die Straßenbeleuchtung färbte die Vorhänge schwefelgelb.
„Sind wir… sind wir jetzt zusammen?“
„Ich denke schon…“
„Ah. Gut. Ich- also, fantastisch, Himmel! Echt? Wow…“
Wildes blondes Haar baumelte von der Matratze, ein Knie zog sich näher an den Körper. Aus diesem Winkel sah das Radio aus den Sechzigerjahren aus wie ein erstauntes Gesicht. Jim hatte es vor einigen Stunden aufgeschraubt, ein Stück Draht, dessen Name Adam vergessen hatte, neu oder anders oder mit einem Stück Alufolie umwickelt wieder eingebaut, sodass man darauf wieder Empfang hatte. Der erste Sender, der nicht klassische Musik oder Country spielte, lief im Hintergrund. Themenstunde Michael Jackson. Momentan spielten sie ein Lied, das 1988 als Singleauskopplung aus dem Album Bad veröffentlicht wurde.
„Du solltest den Kopf hochnehmen, du kriegst da noch Blutstau.“
Gespreizte Finger, die das Knie zur Seite drücken.
„Und ich brauche dein Blut jetzt an einer anderen Stelle…“
…ran into the bedroom, you were struck down, it was your doom…
„Bevor du deine kleinen Freunde anrufst, möchtest du dich vielleicht kurz mit mir unterhalten, Sebastian. Du bist sowieso stärker als ich, sei nett.“
Lautlos war er ihm in die Küche gefolgt und hob beide Handflächen abwehrend in die Luft.
Der Daumen lag über dem kleinen grünen Telefonhörer, eine falsche Bewegung, und man würde ein paar Polizeiwagen schicken, Männer und Frauen mit Pistolen und Tasern.
Der Blickkontakt wurde gehalten, als eine Hand in die Tasche der Hose glitt, dort, wo sich ein Rechteck mit abgerundeten Kanten abzeichnete. Jim senkte die Elektronik auf den Tisch. Die Hand wurde weggezogen, ein Handy-Case aus Holz mit pinkfarbenen Muster kam zum Vorschein. Ein Zischen lag in der Luft, ein Mundwinkel hob sich in Ekel.
„Was hast du mit ihr gemacht, McKinnon?“
Maike du bist unglaublich! Würde mich freuen wenn du zwischen den Kapitelchen 😉 mal ein paar Minuten für die 11 Fragen hättest die ich dir unter http://bettinalippenberger.wordpress.com/2013/06/23/ich-wurde-getagged-hier-kommen-meine-antworten/ gestellt habe 😀 Liebe Grüße Bettina
Hey! Ach ja, da war ja was… eigentlich mag ich so Tagging-Spiele überhaupt nicht, also tut es mir im voraus leid, wenn die Antworten nicht so ausführlich sind…
1. Was ist Wichtig wenn du ein Buch kaufst?
– Autor, oder ob es mir von Frunden mit gutem Geschmack in Sachen Literatur empfohlen wurde.
2. Wo liest du gerne?
– im Bett und im Bus zur Uni
3. Wie würde der Ort aussehen an dem du gerne wärst, vertieft in ein Buch oder zum Schreiben?
– wie eine Hobbithöhle
4. Was würdest du alles auf eine einsame Insel mitnehmen? (7 Dinge)
– eine TARDIS, der Rest ist dann hinfällig.
5. Welches Genre liest du am liebsten und warum?
– kein Genre, eher um bestimmte Autoren herum, etwa Pratchett, Gaiman, Doyle, Wilde
6. Wo schreibst du und was hilft dir dabei?
– am PC bzw in ein Notizbuch wenn ich im Bett bin. Ruhe. Nicht hungrig oder müde zu sein.
7. Welchen Charakter würdest du gern mal persönlich treffen?
– Aziraphel und Crowley, aus Good Omens.
8. Was stört dich total beim Schreiben oder Lesen?
– Lärm. Menschen.
9. Welches Buch war für dich das Schlechteste und welches das Beste.
– zu viel Auswahlmöglichkeiten.
10. Könntest du ohne Bücher oder das Schreiben leben?
– haha nope.
11. Hast du schon Autoren persönlich getroffen? Wenn ja welche.
– no, Sir!
Liebe Maike, ich wurde das erste Mal getaggt. Ich habe dich gefragt weil ich dich so super toll finde als Mensch. Sei mir also nicht böse das ich dich gewählt habe. Es waren Fragen die mich wirklich interessiert haben, da ich gern mehr von dir erfahren möchte. Liebe Knuddel Grüße Deine Bettina
D’awwwwwww wie lieb von dir! ❤
Das war auch überhaupt kein Angriff auf dich oder so xD nur manchmal sind das Fragen, die irgendwie so schwer/banal/gar nicht zu beantworten sind!
Fühl dich gedrückt!
Hoffe meine waren nicht allzu schlimm. Drücker zurück!